Haben wir (als Gesellschaft) aus den Corona-Maßnahmen gelernt?

Der Mann, der vor mir sitzt, kommt schon seit Jahren als Patient zu mir. Er war viele Jahre Einzelhändler, hat sein Geschäft aber kürzlich abgegeben. Die Lockdowns während der Pandemie haben ihm zunächst finanziell zugesetzt. Noch belastender waren für ihn aber die Bedingungen, unter denen er wieder öffnen konnte. Er erzählt mir: „Ich musste wie ein Schießhund darauf achten, dass wirklich jeder Kunde eine Maske trägt. Und dann hatte ich immer Angst, dass sich irgendwie doch jemand in meinem Geschäft ansteckt, was dann bekannt wird und ich öffentlich angefeindet werde. Das hat mich psychisch so fertiggemacht, dass ich jede Lust an meinem Laden verloren habe.“ 

Geschichten von Menschen, die bis heute unter den politischen Maßnahmen der Corona-Pandemie leiden, kenne ich einige. Dass vieles übertrieben war, der Staat unter breiter medialer Unterstützung übergriffig gehandelt hat, und die Impfstoffe doch nicht so unproblematisch sind, wie versichert wurde, ist mittlerweile bekannt. Das wirklich Beängstigende und für viele Menschen bis heute Traumatische ist, dass die Selbstbestimmung der Bürger offen infrage gestellt wurde, und dass jeder, der sich getraut hat, auch nur kritische Fragen zu stellen, wie ein Aussätziger behandelt wurde. Eine Impfpflicht, wie sie in Deutschland diskutiert und für einige Berufe auch eingeführt wurde, sich also – gegebenenfalls gegen den eigenen Willen – von einer Nadel stechen zu lassen und eine Flüssigkeit in den Körper injiziert zu bekommen, ist eines liberalen Landes unwürdig. 

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich habe mich selbst impfen lassen, habe bei meinen Patienten für die Impung geworben und habe auch geimpft. Aber jeder Mensch hat das Recht, anderer Meinung zu sein als ich. Pluralismus ist das Lebenselixier einer freiheitlichen Gesellschaft. Wenn wir verlernen, dass es auch in existenziellen Fragen unterschiedliche Meinungen geben darf, dann ist der Weg in ein autoritäres System möglicherweise kürzer als viele sich das vorstellen. Die Corona-Pandemie war eine harte Bewährungsprobe für jedes freiheitliche und pluralistische Land. Deutschland hat diese Probe allenfalls mäßig bestanden. Und wer Gefallen daran findet, dass Menschen ausgegrenzt werden, die eine andere Meinung haben als man selbst, sollte sich stets vor Augen führen, dass er selber möglicherweise beim nächsten Mal zu den Ausgegrenzten gehören könnte. 

Offen ausgegrenzt zu werden ist für Betroffene eine schwierige Situation, die als psychische Gewalt empfunden werden kann und möglicherweise ein lebenslanges Trauma hinterlässt. Jeder Mensch hat das Recht, körperlich und seelisch unversehrt zu bleiben. Auch deshalb ist unsere demokratische und pluralistische Gesellschaft so ein Erfolgsmodell. Und genau darum sollte sich jeder Bürger uneingeschränkt für Meinungsvielfalt einsetzen, vielleicht sogar genau dann, wenn er merkt, dass andere etwas anders sehen als er selbst!