Jedes Medikament hat Nebenwirkungen

Kürzlich bin ich auf Facebook über ein Posting gestolpert, in dem eine Frau sich empört darüber beklagte, dass sie von ihrer Hausärztin einen Blutdrucksenker erhalten hatte, der das Risiko einer erheblichen Nebenwirkung hat. Als ich dieses Posting gelesen habe, musste ich schlucken. Einerseits wegen der offensichtlichen Naivität der Schreiberin, andererseits aber auch, weil die Frau möglicherweise Leser, die selber einen zu hohen Blutdruck haben und deswegen Medikamente nehmen, verunsichert und eventuell veranlasst, ihre Blutdrucksenker abzusetzen. Mit allen Konsequenzen bis hin zu einem erhöhten Risiko für Schlaganfall. 

Dass Pharmaka, also Medikamente, Nebenwirkungen haben, liegt in der Natur der Sache. Sie verändern Stoffwechselvorgänge. Das ist so, als wenn eine Weiche im Zugverkehr umgestellt wird. Ist der Zug vor Umstellung der Weiche in Richtung A gefahren, fährt er nach Umstellung in Richtung B. Nebenwirkung: Die Bahnhöfe, die sich auf Strecke A befinden, werden nicht mehr erreicht. 

Für Medikamente gilt: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung! 

Genau aus diesem Grund muss bei pharmakologischen Therapien stets zwischen gewünschter Wirkung und Nebenwirkungen abgewogen werden. Überwiegt der Vorteil eventuelle Nachteile oder überwiegt das Risiko von potenziellen Nebenwirkungen den Vorteil? Bei diesen Überlegungen sind Arzt und Patient gemeinsam gefordert. Und weil der Arzt nicht etwa für den Patienten verantwortlich ist, sondern jeder für sich selbst, ist es die Aufgabe des Patienten, nachzufragen, sofern sie oder er sich nicht ausreichend aufgeklärt fühlt! Ich bin als Arzt nie böse, wenn ein Patient anderer Meinung ist als ich. Aber am Ende des Gespräches möchte ich mich auf das verlassen können, was wir miteinander vereinbart haben. 

Grundsätzlich gilt: Pharmakologische Therapien sollten möglichst nie alleine und in vielen Fällen auch nicht als erstes zur Anwendung kommen. Bei Rückenschmerzen ist Bewegung wie einfaches Laufen sinnvoll, zu einer guten Behandlung von Diabetes und Bluthochdruck gehören Sport, häufig eine Veränderung der Ernährung und gegebenenfalls Gewichtsabnahme. An dieser Stelle sehen Sie erneut die Verantwortung des Patienten für sich selbst. Als Arzt kann ich mit dem Patienten über Ernährung, Sport und Gewichtsabnahme sprechen. Die Umsetzung jedoch liegt ganz alleine bei Patientin beziehungsweise Patient. Und wenn ein Patient sagt, dass er kein Gewicht abnehmen möchte, auf Sport keine Lust hat und/oder auf das Glas Bier oder Wein mehrmals pro Woche nicht verzichten möchte, dann habe ich das als Arzt zu akzeptieren. Nur, dann müssen wir eben möglicherweise sofort auf eine medikamentöse Therapie setzen. Und, um noch einmal auf den oben geschilderten Fall zurückzukommen: Bluthochdruck muss behandelt werden! Ohne Wenn und Aber, zumindest wenn man keinen Schlaganfall bekommen möchte. Und wenn der Blutdruck ohne Medikamente nicht ausreichend runter geht, dann eben mit Medikamenten!